Früher als erwartet folgt nun der zweite Teil meiner Analyse, ganz im Zeichen des gelben Trikots. Und wer taucht da immer auf, außer er ist von den Veranstaltern nicht eingeladen: Richtig, Alberto Contador. Dessen Name laut deutscher Boulevardpresse schon wie ein Dopingmittel klingt. Aber das soll hier nicht Thema sein, auf solche Dinge hat man als außenstehender Fan sowieso keinen Einfluss. Obwohl wieder Stimmen laut wurden, wie in den letzten Jahren immer. Ausgangspunkt war die Bergankunft in Verbier, wo er einen zweifelhaften Rekord aufgestellt hatte. 1856 Höhenmeter in der Stunde, selbst Experten sprachen von einer übermenschlichen Leistung. Dazu kann ich nichts sagen. Ich kann nur das Sportliche bewerten. Was ich jetzt auch tun werde.

Lance Armstrongs Rückkehr war besonders in der ersten Woche neben den Triumphen von Mark Cavendish (siehe Teil 1) Gesprächsthema. Auch die Kameras verfolgten den polarisierenden Texaner so häufig es ging. Doch dann kam Andorra Arcalis, und man konnte bereits erahnen, dass auch der große Meister der letzten Jahre dem wahrscheinlich Neuen weichen muss. Mit welcher Leichtigkeit dieser junge Spanier den Konkurrenten davonstiefelte, Konkurrenten wie den Schlecks, Sastre, Evans. Hätte er den Berg mit mehr Blick auf das Gelbe Trikot gefahren, wäre es wahrscheinlich kein Problem gewesen, Rinaldo Nocentini abzufangen. Doch vielleicht war es nicht so schlecht, dass er damit gewartet hat. Obwohl Astana das beste Team stellte, Führungsarbeiten beim Einfangen einer Ausreißergruppe kosten jedem Kraft. Generell scheint es, als hätte er taktisch seit seinem ersten Tour-Triumph einiges gelernt. Da wären der geschenkte Sieg für Frank Schleck, das Kontrollieren der Spitzengruppe, immer mit Blick auf die Gesamtwertung. Es scheint, als wäre der unbedingte Siegeswillen der Vernunft gewichen. Er lässt am Berg auch mal schwächere Konkurrenten fahren, ohne sich sofort nervös umzusehen, ob irgendjemand nachgeht oder er die Arbeit leisten muss.

Zu diesem taktischen Verständnis kommen noch seine sportlichen Fähigkeiten hinzu. Neben den bereits bekannten Fähigkeiten im Höhenmeterbewältigen besitzt er jetzt noch Qualitäten im Kampf gegen die Uhr. Nicht umsonst ist er im Dress des spanischen Zeitfahrmeisters, hat Größen wie Luis Leon Sanchez oder Jose Ivan Gutierrez in Schach gehalten. Sein Sieg beim erstmals nicht abschließenden Zeitfahren unterstreicht das noch einmal, obwohl er sicher davon profitiert hat, dass die besten Zeitfahrer in den Pyrenäen mehr Kraft lassen mussten. Während den drei Wochen behauptete er ja einmal, er habe Armstrong nie bewundert. Jedoch scheint er auf dem Weg zu sein, ein Ebenbild des 39-Jährigen zu werden. Hervorragender Zeitfahrer, unfassbarer Kletterer, kann sich bis zum letzten Rest auspumpen, beherrscht das Feld (beinahe) mit einer stoischen Ruhe, die einen glauben lässt, bei irgendeiner viertklassigen Rundfahrt Zuschauer zu sein, dem Tod von der Schippe gesprungen, Dopingvorwürfe (gut, das ist bei jedem guten Radsportler gang und gebe). Der Feind in seinem Körper.

Doch hatte der Rekord-Toursieger nie mit solchen Problemen zu kämpfen wie sein legitimer Nachfolger. Probleme, denen meiner Meinung nach zu wenig Bedeutung zukommt. AC hatte in seinem Team keineswegs das volle Vertrauen, wie zu Beginn vorgeplänkelt. Besonders Lance Armstrong, gemeinsam mit dem Mann, der ihn zu seinen sieben Toursiegen geführt hat, machten ihm immer wieder das Leben schwer. Dieser Mann hinter Armstrongs Erfolgen ist niemand anderer als Johann Bruyneel, Teamchef von Astana. Doch als wäre das noch nicht genug, auch viele der Teamkollegen waren auf der Seite des sportlichen Leiters und des Rückkehrers. Deshalb wurde Sergio Paulinho extrem wichtig für den Gewinner der heurigen Tour. Normalerweise Rackerer in der Ebene, gewann er als Zimmerkollege und Vertrauenspartner an unüberschätzbarer Wichtigkeit.

Deshalb: Chapeau, Alberto Contador. Ich hoffe, du konntest den Champagner, den Zieleinlauf auf der Champs-Elysee und die Siegerehrung genießen, auch wenn dabei Lance Armstrong nicht von deiner Seite wich. Und Gelb steht dir besser als Pink.